Texte von Karl Julius Weber



Auszüge aus dem "Demokritos" von Karl Julius Weber:


Lachen und Lächerlichkeit

Lachen, Schlaf und Hoffnung - diese drei Dinge gab uns Mutter Natur gegen die Mühseligkeiten eines Lebens, das manche nicht annähmen, wenn sie zuvor gefragt würden.Viele hoffen ihr ganzes Leben hindurch - spiro, spero: ich hoffe, solange ich atme - und überdies bleibt ihnen jedenfalls die letzte aller Hoffnungen: die der ewigen Seligkeit. Diese letzte Hoffnung gibt Millionen eine Ruhe, die weder die Freude noch der Schmerz und noch weniger die stolze Philosophie der Nichthoffnung geben kann, welchen seligen Glauben daher andere nie irre machen sollten. Gewähren nicht selbst getäuschte Hoffnungen Genuß? Von zwanzig Mädchen, die wir liebend umschwärmen wird ja auch, wenn's gut geht, nur eine - unsere Frau!

Immer bleibt es aber der schönste Vorzug des Mitteldings zwischen Tier und Engel: daß es hoffen darf, was ihm beliebt; oder, um mit dem Dichter zu reden: "Die Welt wird alt und wieder jung - stets hoffte der Mensch Verbesserung!"

Weniger tröstlich als die Hoffnung benehmen sich Schlaf und Lachen, denn beide verlassen uns in der Regel da, wo wir sie am besten gebrauchen könnten: wenn die Leidenschaft tobt, die Nerven leiden und unsere Maschine zerrüttet ist. Denn Schlaf und Lachen erfordern Kraft, und das alte lustige Sprichwort hält nicht ganz Stich: "Der Lacher springt über das Grab."

Wie dem auch sei: allein der Mensch lacht. Alle Tiere, alles über und unter ihm ist ernst, alles ruht um ihn, er allein ist die Unruhe. Der Mensch erscheint nur groß und wichtig, wenn wir ihn mit der Tierwelt vergleichen. Vermutlich haben die Tiere diesen Vorzug nicht erhalten, weil bei ihrer Schöpfung der Mensch noch nicht da war - und über was hätten sie dann lachen sollen? Der Mensch lacht allein und muß dabei oft genug weinen - daß er gelacht hat...

Unser Lachvermögen und die Nebenprivilegien des Nasenblutens und Rülpsens unterscheiden viele oft mehr vom lieben Vieh als die stolze Vernunft. Der Mensch bleibt immer das edelste der Tiere, weshalb er auch zuletzt erschaffen wurde; das Beste kommt zuletzt, und daher kam das Weib auch erst nach dem Mann.

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So wurde das Weib der große Gedankenstrich im Buch der Natur und die Marionette der Vorsehung. Was ihn diese Welt allein noch erträglich machte, war die Verstellungskunst, und diese paßt ganz in die Zeit, wo das Repräsentativsystem an der Tagesordnung ist.

Was hätten wir vom Leben, wenn wir unsere Dummheiten nicht belachen dürften? Und warum sollte der Mensch von dem ausschließlichen Geschenk des Himmels nicht Gebrauch machen? Es gäbe hundert Dummheiten weniger, wenn man sie nicht so ernst nähme. Soviel bleibt doch wahr, daß der Mensch sich nie behaglicher fühlt als in dem Augenblick, wo er im Rausch der Fröhlichkeit nur wenige Spannen um sich blickt - und lacht.

Noch Linné rechnete den langhändigen Affen (Homo Lar) und den Menschen zu einer Gattung, Rousseau fand in den Pongos den Urmenschen und der Arzt Moscati schreibt unserer aufrechten Stellung alles Herzklopfen, alle Schwindsucht, Fußgeschwülste, Verstopfung der Leber und so weiter zu und preist die glückliche horizontale Stellung der Vierfüßler. Fester steht man allerdings auf vier Füßen, wovon uns jeder Stuhl und Tisch überzeugen kann, aber selbst die kleinen Kinder entschließen sich einmal, den zweibeinigen Naturgang anzunehmen. Aber manche Affenarten halten uns, wie gewisse gelehrte Herren, noch ganz unbefangen für ihresgleichen und können natürlich von der Anatomie, die seitdem mehrere feine Unterschiede entdeckt hat, nicht wissen. Es gibt Tiere, die verhältnismäßig mehr Gehirn haben als der Mensch, aber es fehlt der feinere Nervenbau u.s.w. Und, - daß wir nicht hintenaus - pissen. Aber mit der Affenverwandtschaft hat es schon seine Bewandtnis. Überdies erzeugt Afrika die meisten Affen, Frankreich unstreitig die liebenswürdigsten und mein teures Vaterland die größten.

Lachen ist, wissenschaftlich gesehen, eine krampfartige Bewegung der zum Atemholen nötigen Muskeln und ein Naturausdruck der Behaglichkeit und Freude. Novalis, der in seinem kurzen Leben wohl nur wenig lachte, nennt das Lachen einen Absonderungs- das Weinen einen Einschluckprozeß, jenes ein Flüchtigwerden, dieses ein Starrwerden. Wenn einmal die Träne als "das Blut des verwundeten Herzens" bezeichnet worden ist, so weiß ich keinen passenderen Gegensatz, als das Lachen mit dem "Mai der Heiterkeit" zu vergleichen. Die Philosophen hätten den Menschen ebensogut "Tränen"- oder "Weintier" (letzteres in doppeltem Sinne) nennen dürfen, wie sie ihn "Lachtier" genannt haben....

Der lachende Philosoph Demokrit soll selbst im Schlaf gelacht haben, und ich glaube das, weil ich selbst mehr als einmal, aus Träumen gerissen, mich lachen gehört habe. Der physische Unterschied (zwischen Lachen und Weinen) ist noch heute Geheimnis, wie auch das Erröten (aus entgegengesetztesten Gründen). Man hat schon die Frage gestellt, ob Frauen auch im Dunkeln rot werden. Die Sache muß wohl im ganzen dunkel bleiben, weil sie sich eigentlich nur bei Licht ausmachen läßt; einige haben mir die Frage bejaht, sie hätten das Rotwerden gefühlt, die meisten aber haben wohl ohne Untersuchung lieber die Dunkelheit benützt, denn im Dunkeln ist gut munkeln... jedenfalls wird man bei vielem Lachen körperlich schwach, weshalb die Entschuldigung eines gefallenen Mädchens zu Recht besteht: "Ich konnte mich vor Lachen nicht wehren!"


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Kurzbiographie von Karl Julius Weber